Der Yakuza by Schrader Leonard

Autor:Schrader, Leonard [Schrader, Leonard]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-89581-318-4
Herausgeber: Alexander Verlag
veröffentlicht: 2015-01-14T05:00:00+00:00

acht

Japan ist ein geistiges Vakuum.

Die Japaner besitzen den Verstand eines Zwölfjährigen.

General Douglas MacArthur (1880–1964)

DONNERSTAG, 19. JULI

Der über der Stadt lastende Smog war dunkler geworden. Die Strahlen des Morgenlichtes, die durch den dichten rauchverhangenen Himmel drangen, waren fahl und schwach. Das Deckenlicht in Wheats Küche glühte hell, doch in dem Raum war es vollkommen still. Kilmer saß in totalem Schweigen am Tisch.

Sechs Stunden zuvor hatte er Dusty in die Notfall-Ambulanz eines Krankenhauses gebracht. Weil Dusty Tourist war, hatte Kilmer den jungen Arzt des Nachtdienstes leicht davon überzeugen können, daß Dusty sich bei einem Unfall verletzt hatte; während er das sagte, hatte er sich selbst verabscheut, in flüssigem Japanisch eine Lüge nach der anderen zu erzählen, pausenlos davon zu plappern, wie dumm und ungeschickt Dustys Versuch doch gewesen war, ein katana zu schwingen. Nachdem er Dustys linken Arm vom Handgelenk bis zum Ellenbogen verbunden hatte, sagte der arglose junge Arzt: »Sagen Sie Newman-san, daß er sehr viel Glück gehabt hat. Auch wenn sein Arm wahrscheinlich für immer etwas steif bleiben wird, ist die Wunde in drei Monaten wieder völlig verheilt.« Kilmer hatte alle Bemerkungen des Arztes übersetzt, doch später hatte er, abgesehen von einer wortkargen Entschuldigung auf den Stufen des Krankenhauses – »Sorry, Dusty« –, kein Wort mehr gesagt.

Und jetzt saß Kilmer vor dem Küchentisch, hatte seine Ellenbogen steif aufgestützt, bewegte sich nicht, starrte in mißmutigem Schweigen auf sein Frühstück, das er noch nicht angerührt hatte, und wartete auf Tanaka Ken. Etwas früher, nachdem Dusty alle Einzelheiten des yakuza-Überfalls berichtet hatte, hatte Wheat den Versuch gemacht, Kilmer an der Unterhaltung zu beteiligen, indem er mit freundlichem Ton gefragt hatte: »Wann hast du eigentlich aufgehört, morgens schon Kaffee zu trinken, Harry?«

»Als ich ein Magengeschwür bekam«, brummte Kilmer, ohne aufzublicken. Seine kurzangebundene, ausdruckslose Stimme konnte seine tiefe Verbitterung kaum verbergen. »Wann hast du aufgehört, Zucker auf deine Cornflakes zu schütten?«

»Als ich Diabetes bekam«, antwortete Wheat langsam und faßte den Entschluß, ohne lange Umschweife auf den Punkt zu kommen. »Harry, solltest du nicht besser zur Polizei gehen?«

»Nein«, fuhr Kilmer ihn scharf an. Seine tiefliegenden blauen Augen funkelten Wheat mit stechendem Zorn an, ehe er wieder auf seinen Teller herabschaute. »Noch nicht.«

Danach hatten die drei Männer zwanzig Minuten lang kein Wort mehr gesprochen, und jetzt saßen sie immer noch schweigend am Tisch. Dusty mühte sich stumm mit dem Rest seines Rühreies ab, aß mit einer Hand, während er den verbundenen Arm ruhig auf seinem Schoß liegen hatte. Wheat aß seine Schüssel Wheaties und überflog ruhig die mit Kaffee befleckte erste Seite der Mainichi. Gerade als Dusty sich die dritte Tasse Kaffee einschenkte, hörten sie, wie jemand durch die Haustür kam und dann leise den Flur herabging. Die drei Männer starrten gebannt auf die Tür. Tanaka Ken blieb stehen, nickte kurz und ging dann direkt auf Dusty zu. Mit einem kurzen Blick auf den weißen Mullverband sagte er: »Wie geht es, Mr. Dusty?«

»Es geht. Ist nicht so schlimm.«

»Ich vergesse nicht, was Sie getan haben. Wenn ich irgend etwas für Sie tun kann, bitte fragen Sie mich jederzeit. Sie haben ein sehr mutiges und edles Herz.

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